Das Heilungspotential unseres Körpergedächtnisses
Unsere inneren Stimmen wahrnehmen und auf sie hören lernen
Ausser Kontrolle
Wer von uns kennt das nicht: Ab und zu erfahren wir in unserem Alltag plötzlich und unerwartet immer wieder auftretende Stimmungen, Gefühlszustände, Körperempfindungen oder Schmerzen, oft ohne sichtbaren äusseren Zusammenhang, für die wir keine Erklärung finden können.
Oder wir wiederholen wie von einem inneren Zwang gesteuert die ewig gleichen Auseinandersetzungen mit unseren Mitmenschen, obwohl wir wissen, dass wir uns und anderen damit schaden. Wie von selbst läuft da etwas in uns automatisch ab, von dem wir keine Ahnung haben, woher es kommt und über das wir keine Kontrolle zu haben scheinen. Wir fühlen uns hilflos, ohnmächtig und ausgeliefert.
Innere ‹Programmierung› – Learning by doing
Wenn wir gehen, laufen, Purzelbäume schlagen, schwimmen, Velo-, Ski- oder Auto fahren, ist uns allen klar, dass unser Körper früher einmal mühsam erlernte Bewegungsabläufe und zugehörige Körperzustände bis ins letzte Detail gespeichert und konditioniert hat. Er kann sich jederzeit wieder daran erinnern und sie unmittelbar ausführen. Unser Körper weiss genau, wie ‹es› geht, er tut ‹es›, ohne dass wir uns gross anstrengen oder denken müssen.
Er stützt sich dabei auf das hochkomplexe implizite Körpergedächtnis, welches sämtliche Informationen über den Zustand des ganzen Körpers und den zugehörigen Gefühlen zu all unseren Lebenserfahrungen enthält. Diese latenten Impulse werden durch Reize, die in Verbindung mit einer Erfahrung stehen, unmittelbar wieder aktiviert: Wenn wir ins Wasser fallen, beginnt unser Körper sofort zu schwimmen, ohne dass wir uns das noch lange kognitiv überlegen müssen.
Frühkindliche Prägungen im impliziten Körpergedächtnis
Natürlich entstammen auch die Eingangs erwähnten Erfahrungen diesem impliziten Körpergedächtnis. Auch sie sind in der Vergangenheit durch Erfahrungen konditioniert worden und können durch innere oder äussere Reize bzw. Lebenssituationen erinnert und unmittelbar ausgelöst werden.
Da wir die für unser Leben grundlegendsten (Bindungs-/Beziehungs-) Erfahrungen während den ersten zwei Lebensjahren entwicklungsbedingt neurobiologisch noch ohne explizites, d.h. kognitives Gedächtnis erlebt haben, finden wir unsere prägendsten Empfindungs-, Verhaltens- und Gefühlsmuster, unsere Grundmuster sozusagen, in diesem impliziten Körpergedächtnis, ohne kognitiven Zugang, nur über Körperempfindungen repräsentiert und ansprechbar. Dazu gehören auch vorgeburtliche und traumatische Erfahrungen.
Grenzen der Gesprächstherapie
Reine Gesprächstherapie stösst hier an Grenzen, weil diese impliziten Erinnerungen im Körper verbal/kognitiv gar nicht erreichbar sind. Leiden wir unter Körper- und Gefühlszuständen, die wir kognitiv nicht zuordnen können, müssen wir also achtsam das implizite Körpergedächtnis ansprechen und diese Empfindungen im Jetzt, bezogen auf die aktuelle Lebenssituation, neu zuordnen. Nur so können sie bleibend transformiert und in den Lebensfluss integriert werden.
Der Körper kennt den Weg!
Das kann durch sorgfältige Beobachtung, Erfahrung und Neuverhandlung von Körperempfindungen und Gefühlen geschehen, unterstützt durch speziell dafür geeignete, achtsame Körperarbeit, die einen unmittelbaren Zugriff auf Empfindungen und Gefühle sowie ihre Transformation ermöglicht. Beides setzt einen sicheren, geschützten und gehaltenen Raum voraus, in dem sich die natürlichen Zyklen und Selbstheilungskräfte des Körpers zeigen, frei entfalten und vollenden können: Der Körper kennt den Weg!
Aktualisiert : 31.10.2023 23:16